Showdown auf der flatexDEGIRO Hauptversammlung Anfang Juni
Veröffentlicht von
Stephan Heibel
am
16.04.2024
Die Hauptversammlung von flatexDEGIRO im Juni steht bevor, mit hitzigen Diskussionen über Unternehmensstrategien und Führungsstile. Großaktionär Bernd Förtsch kritisiert die aktuelle Unternehmensführung, während CEO Frank Niehage auf die Rekordergebnisse und geplante Innovationen hinweist. Die Debatte über Aktienrückkäufe versus strategische Übernahmen ist entbrannt, mit großen Erwartungen an die zukünftige Richtung des Unternehmens.
Na, das wächst doch zu einer handfesten Auseinandersetzung bei flatexDEGIRO.
Großaktionär Bernd Förtsch schlägt kurz vor Ostern in einem Wirtschaftswoche-Interview auf den Vorstandsvorsitzenden Niehage ein, ich berichtete in meinem Update vom 28.3. darüber: flatexDEGIRO sei zu 30-40% gegenüber dem Schweizer Konkurrenten Swissquote unterbewertet.
Anfang letzter Woche schlägt Frank Niehage zurück, ebenfalls in Form eines Interviews, dieses Mal beim Handelsblatt: Im laufenden Jahr werden sogar die Rekorde aus der Coronazeit übertroffen.
DeGiro dominiert den europäischen Markt mit Rekordergebnissen
2021 war der Umsatz nicht zuletzt auch aufgrund der Lockdowns um 60% auf 417 Mio. EUR gesprungen. Die wilden Zeiten nutze man für die Neukundenakquise, so dass der Gewinn (EBITDA) nicht im Jahr 2021, sondern erst im Folgejahr, als die Marketingausgaben wieder normalisiert wurden, auf einen Rekord von 181 Mio. EUR sprang.
Für das laufende Jahr 2024 erwarten Analysten nun einen Umsatz von 430 Mio. EUR und einen Gewinn (EBITDA) von 191 Mio. EUR. Das Wachstum findet überwiegend im europäischen Ausland statt, wo das Unternehmen mit der Marke DeGiro Marktführer ist.
Aktienrückkauf vs strategische Übernahmen
Den Vorwurf der fehlenden Innovation kontert Niehage mit der Ankündigung eines echten Krypto-Angebots bis Jahresende.
Ein kritischer Punkt scheint der beabsichtigte Aktienrückkauf zu sein: Niehage möchte bis zu 10% der ausstehenden Aktien zurückkaufen. Förtsch stellt sich eine bessere Verwendung der Mittel vor und bringt Übernahmen ins Spiel.
Tatsächlich hat Flatex derzeit mehr als genug Liquidität für Übernahmen und Ausschüttungen an Aktionäre. Die CET-Ratio lag Ende letzten Jahres bei 27%, erforderlich sind nur 15%. Die 100 Mio. EUR, die vorübergehend für die BaFin-Anpassungen zurückgelegt werden mussten, sind wieder frei. Aus dem erwarteten EBITDA für 2024 von 191 Mio. EUR ergibt sich ein freier Cashflow von weiteren 101 Mio. EUR. Zusätzlich könnte flatexDEGIRO zur Finanzierung eines attraktiven Übernahmeziels bis zu 50% neue Aktien ausgeben. Doch das sei beim aktuell niedrigen Aktienkurs nicht der Königsweg.
Strategiedebatte bei FlatexDEGIRO
Damit sind sich Förtsch und Niehage in einem Punkt einig: Die Aktie ist zu günstig. Niehage sieht genau hier das Ziel für die Verwendung der freien Mittel und möchte den niedrigen Aktienkurs für Aktienrückkäufe nutzen. Förtsch hingegen möchte die freien Mittel für Übernahmen nutzen, denn die Branche stünde "vor einer Konsolidierung".
Nun kann Förtsch nicht ein konkretes Übernahmeziel nennen, aber er sollte seine Argumente zumindest inhaltlich untermauern: In welchem Geschäftsbereich sollte flatexDEGIRO denn nach Übernahmezielen suchen? Sollte das Angebot ausgeweitet werden? Sollten Wettbewerber übernommen werden, um deren Kundenstamm zu integrieren? Konkret wird er leider nicht.
flatexDEGIRO gehört zu den am schnellsten wachsenden Brokern auf dem europäischen Markt. Der Konkurrenz werden also Kunden weggeschnappt. Wenn überhaupt, dann sollte sich die europäische Konkurrenz für flatexDEGIRO interessieren, nicht umgekehrt.
Nun kann Förtsch nicht ein konkretes Übernahmeziel nennen, aber er sollte seine Argumente zumindest inhaltlich untermauern: In welchem Geschäftsbereich sollte flatexDEGIRO denn nach Übernahmezielen suchen? Sollte das Angebot ausgeweitet werden? Sollten Wettbewerber übernommen werden, um deren Kundenstamm zu integrieren? Konkret wird er leider nicht.
flatexDEGIRO gehört zu den am schnellsten wachsenden Brokern auf dem europäischen Markt. Der Konkurrenz werden also Kunden weggeschnappt. Wenn überhaupt, dann sollte sich die europäische Konkurrenz für flatexDEGIRO interessieren, nicht umgekehrt.
Kritische Betrachtung des Neobroker-Modells
Ein weiteres Argument von Förtsch: Man solle, genau wie die Neobroker, kostenfreie Trades anbieten. Mit diesem Punkt hat er mich gereizt!
Ein weiteres Argument von Förtsch: Man solle, genau wie die Neobroker, kostenfreie Trades anbieten. Mit diesem Punkt hat er mich gereizt!
Das Geschäftsmodell eines Brokers ist die Durchführung von Trades. Damit verdient das Unternehmen Geld. Für die Neukundenakquise kann vielleicht mal auf die Gebühren verzichtet werden, im europäischen Ausland werden Neukunden mit besonders günstigen Gebühren gelockt: 1€ je Transaktion für die ersten drei Jahre. Das ist ein Angebot, das sich mit meinem Schnupperangebot vergleichen lässt: Die Dienstleistung wird Neukunden für eine kurze Zeit zum Selbstkostenpreis angeboten, damit sie sich vom Dienst überzeugen können. Kunden, die nur über den Preis, nicht aber über die Qualität der Dienstleistung gehen, brauche weder ich noch flatexDEGIRO.
Denn Kunden machen Arbeit, tut mir leid, wenn ich Ihnen das so sage muss ;-) Aber wenn man seine Arbeit kostenfrei zur Verfügung stellt, dann laufen einem die Kunden im Zweifel die Bude ein und die Dienstleistung kann nicht an alle mit der gleichen Qualität gegeben werden.
Permanente Angebote mit kostenfreien Trades führen dazu, dass der Broker anderweitig Geld verdienen muss. Denn nur von Luft und Liebe kann ein Broker nicht leben. Er wird beispielsweise den Orderflow verkaufen und dafür eine Prämie erhalten. Das Resultat: Die Kurse, zu denen Kunden handeln, werden schlechter. Da ist mir das Gebührenmodell ehrlicher.
Und genau das ist der Kern meiner Kritik an Förtsch's Kritik: Ich möchte einen Broker, der als Netzwerkknoten Käufer und Verkäufer von Aktien und anderen Wertpapieren effizient zusammenbringt. Als Kunde bin ich damit bei flatexDEGIRO zufrieden. Als Aktionär akzeptiere ich, dass die Bäume (der Gewinn) damit nicht in den Himmel wachsen, aber über die Zeit wächst das Unternehmen solide.
Denn Kunden machen Arbeit, tut mir leid, wenn ich Ihnen das so sage muss ;-) Aber wenn man seine Arbeit kostenfrei zur Verfügung stellt, dann laufen einem die Kunden im Zweifel die Bude ein und die Dienstleistung kann nicht an alle mit der gleichen Qualität gegeben werden.
Permanente Angebote mit kostenfreien Trades führen dazu, dass der Broker anderweitig Geld verdienen muss. Denn nur von Luft und Liebe kann ein Broker nicht leben. Er wird beispielsweise den Orderflow verkaufen und dafür eine Prämie erhalten. Das Resultat: Die Kurse, zu denen Kunden handeln, werden schlechter. Da ist mir das Gebührenmodell ehrlicher.
Und genau das ist der Kern meiner Kritik an Förtsch's Kritik: Ich möchte einen Broker, der als Netzwerkknoten Käufer und Verkäufer von Aktien und anderen Wertpapieren effizient zusammenbringt. Als Kunde bin ich damit bei flatexDEGIRO zufrieden. Als Aktionär akzeptiere ich, dass die Bäume (der Gewinn) damit nicht in den Himmel wachsen, aber über die Zeit wächst das Unternehmen solide.
Dividendenpotenzial ungenutzt: Aktionäre mit attraktiveren Ausschüttungen locken
Soweit, so gut. Es gibt also genügend Punkte, zu denen sich die beiden Streithähne auf der Hauptversammlung öffentlich äußern werden. Eine Möglichkeit wird jedoch von keinem der beiden angesprochen: Eine attraktive Dividende. Statt durch Aktienrückkäufe die überschüssige Liquidität an die Aktionäre zurückzugeben, könnte flatexDEGIRO auch eine Dividende installieren. Bislang wird mit 4 Cent je Aktie nur eine Mindestdividende vorgeschlagen, was einer Rendite von lächerlichen 0,4% entspricht.
In meiner Studienzeit war ich mit meinem Würzburger Finanzwirtschafts-Professor Ekkehard Wenger häufiger auf Hauptversammlungen, damals ging's bei Daimler rund. Für uns Studenten war es spannender als ein Krimi, wenn sich Aktionäre und Vorstand stritten. Schon im Vorfeld der HV wurden Artikel veröffentlicht, Stimmung gemacht und Meinungen beeinflusst. Doch der entscheidende Schlagabtausch fand auf der HV statt. Dort wurden in den Redebeiträgen Zahlen jongliert und Fakten ausgetauscht. Am Ende steht die Abstimmung.
In meiner Studienzeit war ich mit meinem Würzburger Finanzwirtschafts-Professor Ekkehard Wenger häufiger auf Hauptversammlungen, damals ging's bei Daimler rund. Für uns Studenten war es spannender als ein Krimi, wenn sich Aktionäre und Vorstand stritten. Schon im Vorfeld der HV wurden Artikel veröffentlicht, Stimmung gemacht und Meinungen beeinflusst. Doch der entscheidende Schlagabtausch fand auf der HV statt. Dort wurden in den Redebeiträgen Zahlen jongliert und Fakten ausgetauscht. Am Ende steht die Abstimmung.
Spannung erwartet: Hauptversammlung von flatexDEGIRO verspricht Insights und Unterhaltung
Ich denke, dass die Hauptversammlung von flatexDEGIRO Anfang Juni, die übrigens als Videostream über das Internet von Aktionären verfolgt werden kann, sehr unterhaltsam wird. Ich werde die Heibel-Ticker Mitglieder weiterhin auf dem Laufenden halten und vielleicht haben Sie ja Lust, ebenfalls teilzunehmen.
Die Aktie von flatexDEGIRO ist letzte Woche um 8% gestiegen. Dies liegt sicherlich zum einen am Interview von Niehage, der sich wehrhaft zeigt. Zum anderen hat ein Leerverkäufer, Wellington Management, in den vergangenen Tagen eine Leerposition von insgesamt 1,5% der Aktien aufgelöst, was einem Volumen von 18 Mio. EUR entspricht. Bei einem täglichen Handelsvolumen von 4-10 Mio. EUR ist ein Teil des Kursanstiegs sicherlich auch den Deckungskäufen von Wellington Management zuzuschreiben.
Alle Updates zu flatexDEGIRO
Die Aktie von flatexDEGIRO ist letzte Woche um 8% gestiegen. Dies liegt sicherlich zum einen am Interview von Niehage, der sich wehrhaft zeigt. Zum anderen hat ein Leerverkäufer, Wellington Management, in den vergangenen Tagen eine Leerposition von insgesamt 1,5% der Aktien aufgelöst, was einem Volumen von 18 Mio. EUR entspricht. Bei einem täglichen Handelsvolumen von 4-10 Mio. EUR ist ein Teil des Kursanstiegs sicherlich auch den Deckungskäufen von Wellington Management zuzuschreiben.
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